Leserbrief
Wir veröffentlichen hier den Leserbrief, der in zwei Teilen in der DWZ Januar und Februar 2024 abgedruckt wurde.
Anforderungen an den Deutschen Wachtelhund – ist unsere Prüfungsordnung noch zeitgemäß?
Wir würden uns über Kommentare/Anregungen unter PO@wachtelhund-hessen.de zu den Leserbriefen sehr freuen, um das in unsere weiteren Überlegungen einzubauen.
Zuchtordnungen und Prüfungsordnungen stellen keinen Selbstzweck dar. Vielmehr müssen sie einer ständigen Überprüfung unterworfen sein, ob sie den sich wandelnden Ansprüchen und Rahmenbedingungen noch genügen. Was hat sich im Laufe der Zeit geändert?
Zunächst einmal hat eine Schwerpunktverlagerung der Einsatzbereiche des DW stattgefunden. Wurde früher noch intensiv mit unserer Jagdhunderasse buschiert, brackiert oder verlorengesucht (Niederwild), sind diese Arbeiten heute nur noch im Einzelfall oder regional von Bedeutung. Auch der Anteil an Wasserarbeit und erschwerter Nachsuchentätigkeit ist rückläufig geworden.
Das Hauptbetätigungsfeld des DW ist heute die Stöberarbeit auf Schalenwild. Aber auch hier hat ein Wandel stattgefunden: Hat man früher in abgegrenzten Stöberbereichen mit möglichst rehreinen Hunden gejagt und dieses häufig mit bis zu vier Treiben am Tag, so ist es heute meist nur ein einziges nicht mehr klar abgegrenztes bzw. großflächiges Treiben auf alles Schalenwild.
Andere geänderte Rahmenbedingungen sind wohl aber noch bedeutender. Hierzu zählen vor allem:
- Geänderte Revierstrukturen, die besonders durch den Klimawandel noch verstärkt und zu sehr deckungsreichen Waldrevieren mit hohem Anspruch an die Stöberleistung führen werden.
- Die hohe Dichte des Verkehrsnetzes als besonderes Risiko für überjagende/weitjagende Hunde, verbunden mit tendenziell kleiner werdenden Revieren.
- Jagdrechtliche Vorgaben sowie der sich wandelnde gesellschaftliche Umgang mit der Jagd und, im Speziellen, mit den Hunden und deren Einsatz.
- Wurde der DW früher häufiger als Zwingerhund mit wenig Familienanschluss und zum reinen Jagdgebrauch gehalten, ist heute der Stellenwert als Familien- und Begleithund dem Jagdgebrauch gleichgestellt, und der Hund wird nicht selten im Haus gehalten. Dadurch steigen die Ansprüche an Wesensmerkmale, wie bspw. Sozialverträglichkeit und Ausgeglichenheit.
Unsere Anlagenprüfungen JP (EP) liefern im Besonderen entscheidende Informationen für unser Zuchtgeschehen. Dabei werden neben Formwert/Gesundheit bestimmte, als Prüfungsfächer bzw. Wesensmerkmale definierte Erbanlagen überprüft, benotet und mittels Fachwertziffer bepunktet. Ziel der Zucht des DW kurzgefasst: „Zucht eines gesunden, wesensfesten, den jagdlichen und gesellschaftlichen Anforderungen angepassten Jagdhundes.“
Sind aber Hasenspuren in der heutigen Form nicht vielleicht überbewertet?
Die Hasenspuren fließen derzeit mit 64 % aller möglichen Punkte einer JP überproportional ins Prüfungsergebnis und gar mit drei Fächern in die Zuchtwertschätzung ein. Dabei handelt es sich um diejenigen Fächer, die der höchsten Beeinflussung durch – auch regionale – unterschiedliche Bedingungen unterliegen und, wie wir alle wissen, nur begrenzt durch angepasste Benotung ausgeglichen werden können. Man muss sich auch bewusst machen, dass diese Bewertungen massive Verschiebungen der Zuchtwerte nach sich ziehen können.
Man sollte sich vielleicht einmal fragen, ob das züchterische Ideal nicht vielleicht schon mit 500 m Hasenspur in unter 5 Minuten erreicht ist? Wäre mit dieser Bewertung nicht vielleicht auch ein Teil der unterschiedlichen Bedingungen ausgeglichen?
Und sollte man heute nicht der Beurteilung der Stöberarbeit einen höheren Stellenwert einräumen? Und vor allem sollte man sich die Frage stellen, was denn nach heutigem Empfinden der Garant für einen guten Jagdhund ist? Es sind doch vor allem die Wesensmerkmale, die einen Jagdhund ausmachen und eine erfolgreiche Ausbildung und deren Umsetzung im Jagdbetrieb ermöglichen. Gleiches gilt für seine Eignung als Familien- oder Begleithund.
Dieser Leserbrief steht am Anfang einer Reihe mit der wir zum Nachdenken anregen möchten. Mit dem Ziel, die Prüfungsordnung an die veränderten Rahmenbedingungen anzupassen und letztendlich unseren Züchtern das Rüstzeug dafür zu geben, einen an diese Rahmenbedingungen angepassten Deutschen Wachtelhund zu züchten! Kontaktadresse: DW@thomasfigge.de
Uwe Ickler/Thomas Figge
Leserbrief Fortsetzung
Anforderungen an den Deutschen Wachtelhund – ist unsere Prüfungsordnung noch zeitgemäß?
Im ersten Leserbrief haben wir u.a. die Frage gestellt, ob das züchterische Ideal nicht vielleicht schon mit 500 m Hasenspur in unter 5 Minuten erreicht ist?
Zucht basiert auf Selektion ausgewählter Erbanlagen. Im Fall der Hasenspuren werden Nase, Wille, Spurlaut und Spursicherheit überprüft. Beim Spurlaut wird nach dem „idealen“ Laut gesucht – also nicht zu laut und nicht zu leise. Für Nase und Wille gibt es nach oben keine Begrenzung – je weiter und je länger, desto wahrscheinlicher der züchterische Einsatz. Letzteres entspricht dem Vorgehen in der Zucht von Milchkühen bzw. Legehennen und zielt auf immer noch höhere Leistungen ab.
Unstrittig ist sicherlich die Vorgehensweise beim Spurtlaut. Aber bieten sehr feinnasige und/oder sehr spurwillige Hunde unter den heutigen Rahmenbedingungen Vorteile? Die Erfahrung zeigt, dass hohe Nasenleistungen auf den Hasenspuren nicht zwangsläufig gleichzusetzen sind mit guten Leistungen bei den Arbeiten vor oder nach dem Schuss. Ähnlich verhält es sich mit stark ausgeprägtem Willen. Nicht selten werden beim Stöbern einmal gefundene Stücke sehr langanhaltend verfolgt und weit – mit allen Risiken – überjagt. Dadurch leidet mitunter eher der Beitrag eines solchen Hundes am Gesamtjagderfolg, und nicht selten müssen diese Hunde nach der Jagd eingefangen oder fernab abgeholt werden.
Für einen Stöberhund ist die Stöberveranlagung die zentrale Kompetenz und muss besonderer züchterischer Aufmerksamkeit unterliegen. Es lassen sich schon auf der Jugendprüfung klare Unterschiede hinsichtlich Art der Suche, Systematik, Wildfindigkeit, Zurückkommen etc. feststellen. Derzeit subsumiert sich ein breites Spektrum gezeigter Leistungen unter der Note 8. Mit einem anspruchsvolleren Prüfungsansatz lassen sich sicherlich Leistungsunterschiede deutlicher herausarbeiten und vorteilig für die Zucht nutzen. Herausragende Leistungen sollten gerade in diesem Fach hervorgehoben werden. Zum Beispiel könnte man sowohl bei der Stöberveranlagung (JP) als auch bei den Stöberleistungen auf EP/EPB/GP über die die Vergabe der Note 9 – hervorragend – nachdenken. Auch erscheint eine Erhöhung der Fachwertziffer auf den JPs von 2 auf 3 geboten, analog den Bewertungen bei EPs/EPBs und GPs.
Gute Leistungen auf den Hasenspuren, in der Stöberveranlagung oder beim Verhalten am Wasser stellen allein für sich aber noch kein Garant für einen guten Jagdhund dar.
Es sind vor allem die Wesensmerkmale, die einen Jagdhund ausmachen! Stellen Sie sich einmal folgende Frage: Welches Wesen und welche Eigenschaften soll mein Deutscher Wachtelhund haben? Dann werden Sie mit uns einer Meinung sein:
„Gelehrig, gut abrichtbar, führerbezogen, kooperativ, orientierungsfähig, konzentriert, wesensstabil, schussfest, selbstsicher, selbstständig – aber nicht eigenwillig, wildscharf – aber nicht selbstgefährdend, ruhig, ausgeglichen, verträglich, sozial, ….“ Nur ein Teil dieser Wesensmerkmale findet derzeit Berücksichtigung (Schussfestigkeit, Aggressivität, Wild-/Handscheue, Führigkeit).
Will man weitere positive Wesenseigenschaften fördern, muss man diese definieren, in Prüfungen bewerten und züchterisch umsetzen. Sicherlich ist die Bewertung von Wesensmerkmalen schwieriger als bspw. die Zeitmessung beim Willen, aber unserer Auffassung nach bedeutsam und tatsächlich auch möglich. Insbesondere die Bewertung von Temperament (ruhig, nervös, …), Selbstsicherheit (selbstsicher, ängstlich, …), Verträglichkeit (sozialverträglich, aggressiv, …) und eine weitergefasste Arbeitsfreude wären zusammengefasst als ein – bewertetes – Wesensfach neben der Schussfestigkeit sicherlich zielführend.
Wie bereits in Teil 1 angesprochen, ist es Ziel unserer Vorschläge, die Prüfungsordnung an die veränderten Rahmenbedingungen im Wesentlichen in folgenden Bereichen anzupassen:
- Anhebung der Wertigkeit und Anforderungen der Stöberveranlagung/Stöberleistung
- Einbindung von Wesensmerkmalen als Grundlage für einen gut abrichtbaren, einsatzstarken und „gesellschaftsfähigen“ Hund in die Bewertung
- Anpassung der Bedeutung der Hasenspuren hinsichtlich der Anforderungen an Nase und Wille
Lassen Sie uns gemeinsam eine Prüfungsordnung erarbeiten, die den gewandelten Anforderungen gerecht wird.
Uwe Ickler/Thomas Figge
Wir würden uns über Kommentare/Anregungen unter PO@wachtelhund-hessen.de zu den Leserbriefen sehr freuen, um das in unsere weiteren Überlegungen einzubauen.
Auf eine Kommentarfunktion unter dem Beitrag haben wir bewusst verzichtet und bitten um kostruktive Mitarbeit per Email, die dann direkt bei den entsprechenden Personen ankommt.