Leserbrief Teil 4 (Hasenspur)
Leserbrief Fortsetzung
Anforderung an den Deutschen Wachtelhund – ist unsere Prüfungsordnung noch zeitgemäß?
In diesem Artikel möchten wir uns schwerpunktmäßig dem Thema Hasenspuren widmen.
Die Hasenspuren bilden das Grundgerüst unserer Anlageprüfungen. Mit vier von acht der zuchtrelevanten Fächer und 64 % der möglichen Punkte einer Jugendprüfung nehmen die Hasenspuren überproportionalen Einfluss auf unsere Zuchtauswahl! Als unbedarfter Dritter könnte man so schnell der Annahme verfallen, wir züchten „Hasenhunde“ und keinen vielseitigen Jagdgebrauchshund.
Wenn man sich bewusst macht, dass die Fächer, die der höchsten Beeinflussung durch – auch regionale – unterschiedliche Prüfungsbedingungen unterliegen und nur begrenzt durch angepasste Benotung ausgeglichen werden können, den größten Stellenwert bei der Jugendprüfung haben, ist nachvollziehbar, dass dies eine massive Verschiebung der Zuchtwerte nach sich zieht.
Dabei sind Hasenspuren kein Selbstzweck, sondern vielmehr Mittel zum Zweck. Wir setzen spezielle Verhaltensweisen auf den Hasenspuren Leistungsmerkmalen gleich, die wir als Grundlage für den erfolgreichen jagdlichen Einsatz unserer Rasse verstehen. Dies gilt es durch züchterische Selektion zu optimieren. Optimierung von Leistungsmerkmalen ist aber nicht zwangsläufig mit dem Streben nach bspw. immer weiteren und zeitlich längeren Hasenspuren gleichzusetzen. Vielmehr geht es um bestmögliche Voraussetzungen zur Erfüllung der jagdlichen Anforderungen.
Gut lässt sich das am Spurlaut erläutern. Unsere Zuchtbemühungen sind auf den idealen Laut ausgerichtet, der weder zu locker noch zu knapp ist und gemäß unserer Prüfungsordnung mit der Note 8 bewertet wird. Abweichungen, sowohl in die eine als auch die andere Richtung, wirken sich notenmindernd aus.
Der züchterische Ansatz hinsichtlich Nase und Wille ist auf Leistungssteigerung ausgerichtet. Je weiter und zeitlich länger eine Hasenspur (unter Berücksichtigung von Umweltbedingungen) gearbeitet wird, umso höher ist die Bewertung und damit die Wahrscheinlichkeit der züchterischen Verwendung. Sowohl Zeit- als auch Entfernungsskala sind dabei nach oben offen.
Unabhängig vom Handeln einzelner Züchter ist die Zucht mit Einführung von Dogbase grundsätzlich zuchtwertlastig geworden. Hunde, insbesondere die Deckrüden mit hohen Zuchtwerten auf den Hasenspuren, sind besonders gefragt. Dieses Vorgehen ist wirkungsvoll, was sich mittlerweile auch aus dem genetischen Trend in Dogbase ablesen lässt. Zuchtwerte steigen bei einzelnen Hunden/Zwingern zum Teil ins Unermessliche!
Ist dieses Vorgehen mittel-bis langfristig vorteilhaft oder überwiegen Nachteile bzw. Risiken?
Wie eingangs beschrieben, setzen wir Verhaltensweisen auf den Hasenspuren Leistungsmerkmalen gleich. Verfolgt der Hund die Hasenspur weit, werten wir dieses als hohe Nasenleistung. Bemüht er sich lange um die Spur, als hohen Spurwillen. Die Beurteilung erfolgt selbstverständlich unter Einbeziehung von Umweltbedingungen. Zweifelsohne besteht hier auch ein Zusammenhang zwischen den Verhaltensweisen und den Leistungsmerkmalen (Nase, Wille).
Uns muss aber auch klar sein, dass diese Verhaltensweisen mehr als nur unsere Leistungsmerkmale (Prüfungsfächer Nase und Wille) beinhalten. Gleichzeitig fördern wir durch diesen Prüfungs- und Zuchtansatz auch folgendes Verhalten unserer Hunde: Sich möglichst weit und lange auf der Spur/Fährte von uns zu entfernen. Ebenfalls ist vermutlich auch eine Zunahme an Selbstständigkeit zu unterstellen, was für das Zurückkommen und die Zusammenarbeit nicht unbedingt förderlich sein muss. Damit steigen die Risiken, die wir in den ersten Leserbriefen beschrieben haben. Je weiter und langanhaltender Hunde jagen, desto wahrscheinlicher queren sie Verkehrswege, überjagen, müssen abgeholt oder eingefangen werden. Aus Skandinavien weiß man, dass das Risiko, vom Wolf gerissen zu werden, erheblich ansteigt, wenn Hunde den vom menschlichen Geruch „gefluteten“ Jagdbogen verlassen. Dies kann sicherlich auch in Deutschland in Zukunft zu einem Thema werden!
Ebenfalls beeinträchtigt nicht selten der Beitrag eines so jagenden Hundes den Gesamterfolg einer Jagd, weil dieser – statt intensiv zu stöbern – an einzelnen Stücken Wild anhaltend jagt und dies nicht selten außerhalb des Jagdbogens. Auch schließt sich damit ein Stöbereinsatz auf kleineren Jagden aus.
Ist daher die Selektion, die auf eine stetige Verstärkung der Erbanlagen Nase und Spurwille setzt, zielführend? Zunächst gilt festzuhalten, dass hohe Leistungen in Nase und Wille nicht zwangsläufig mit sehr guten Leistungen vor oder nach dem Schuss gleichzusetzen sind. Dies lässt sich u. a. an Ergebnissen von Brauchbarkeits- und Verbandsschweißprüfungen oder Beobachtungen im jagdlichen Alltag ableiten.
Kann ein Hund hingegen überqualifiziert sein?
Eines ist klar: je höher die Nasenleistung, desto wahrscheinlicher die Chance, dass ein Hund auch unter schwierigeren Bedingungen einer Schweißfährte folgen kann. Machen wir uns aber auch bewusst, dass unsere Hunde eine Vielzahl von Wesens- und Leistungsmerkmalen in sich vereinen, die sich zum Teil stützend oder auch behindernd auf eine Arbeit auswirken können. Für eine erfolgreiche Nachsuche bedarf es mehr als nur einer guten Nase. Ohne dies ausdrücklich auf jeden feinnasigen Hund übertragen zu wollen, wirken diese mitunter sensibler. Auch neigen sie zum Stöbern mit hoher Nase, sind dadurch beim Jagen schneller und näher am Wild, das dann (hoch-) flüchtend reagiert und schwieriger zu erlegen ist. Auch setzt der Laut schon früh auf relativ alten Fährten ein.
Welche Risiken und Nachteile ein sehr stark ausgeprägter Spurwille für das Stöbern in sich bergen kann, ist zuvor schon hinreichend erläutert worden. Der Spurwille am Hasen wird häufig als Weiser für den Fährtenwillen am kranken Stück angenommen. Hunde werden, wie wir alle wissen, über Erfolgserlebnisse stark geprägt und in ihrem Handeln gestärkt. Dies lässt sich besonders gut an der Einarbeitung eines Schweißhundes erläutern. Mit dem Erfolg steigt der Wille zum Verfolgen eines kranken Stückes. Schweißhunde sind meist im Alter von 5/6 Jahren auf dem Zenit ihrer Leistungsfähigkeit angekommen und meistern sogar Wundfährten bis 10 km und darüber hinaus.
Seien Sie sicher, die wenigsten dieser Hunde wären auch nur 2 oder 3 km hinter einem Hasen hergelaufen! Es gibt viele Beispiele von Wachtelhunden mit „genügend“ bewertetem Spurwillen, die zu bemerkenswerten Nachsuchen fähig sind. Sowohl die Schweißarbeit als auch das Stöbern stellen aufgrund des Beuteerfolgs für Hunde im Gegensatz zur Hasenspur ein selbstbelohnendes Handeln
dar. Daher verfolgen sie Schalenwild und Wundfährten ausdauernder als eine Hasenspur.
Aus den Erfahrungen vieler Ausbildungslehrgänge, Beobachtungen von Hunden im Jagdbetrieb sowie auf Prüfungen sind „mittelnasige“ und mit „gutem Willen“ versehene Hunde sehr gut für unsere
jagdlichen Ansprüche geeignet.
Als dringend verbesserungswürdig sehen wir die Breite der Zuchtbasis unserer Rasse an. Für die Zuchttauglichkeit sind in den Prüfungsfächern überwiegend mindestens gute Leistungen erforderlich. Die
Hasenspuren mit der Fülle an Fächern (Nase, Spurlaut, Spurwille und Spursicherheit) schränken die Anzahl zuchttauglicher Hunde überproportional stark ein. Eine Note 4 in einem dieser Fächer bedeutet das züchterische Aus, auch wenn alle anderen Noten im sehr guten Bereich liegen. Dadurch fallen uns viele vitale und gesunde Hunde aus der Zucht!
Die Vorstehhund-Vereine verfolgen einen anderen Ansatz: Leistungen auf der Hasenspur werden in einer Note „Spurarbeit“ zusammengeführt. Dieses Vorgehen trägt zweifelsohne ein Potential zur Erweiterung der Zuchtbasis in sich. Bevor man diesen oder einen ähnlichen Gedanken generell ausschließt, sollte man sich einmal folgendes bewusst machen:
Nase und Spurwille auf den Hasenspuren bedingen sich gegenseitig. Ein Hund ohne Spurwille kommt nicht auf Länge, ein Hund mit geringer Nasenleistung erreicht sehr schnell die Nasengrenze und bricht auch zeitlich früher ab. Andersherum bringt bei günstigen Bedingungen der Wille den Hund auf Länge, bei schwierigen Bedingungen die Nase den Hund auf Zeit. Betrachtet man den genetischen Trend in Dogbase, wird dieser Zusammenhang sichtbar. Die Kurvenverläufe von Spurwille und Nase sind nahezu deckungsgleich. Die Erfahrungen aus den Prüfungen zeigen ferner: Nase und Spurwille weichen in den weit überwiegenden Fällen maximal eine Prädikatsstufe voneinander ab.
Spursicherheit hingegen ist das Fach für schwierige Bedingungen. Bei günstigen Prüfungsbedingungen sind Notenabzüge nur selten festzustellen, und daher ist dieses Fach geeignet, in eine andere Note mit einzufließen.
Der Spurlaut ist weiterhin separat zu bewerten!
In der Zucht werden gerade bei den Rüden überwiegend die Noten- und Zuchtwertbesten eingesetzt. Darüber hinaus bauen sich Zuchtwerte auf, wodurch überproportional häufig Hunde aus Linien mit diesen hohen Zuchtwerten zum Einsatz kommen. Beide Sachverhalte sind mittel- bis langfristig dazu geeignet, negativen Einfluss auf den Genpool unserer Rasse zu nehmen. Daher, und auch aufgrund der jagdlichen Anforderungen, gilt es unseres Erachtens, Hunde mit kürzerer Spurarbeit denen über 800 m in der Bewertung gleichzustellen und sie somit züchterisch interessanter zu machen.
Zusammenfassung:
· Hasenspuren sind u.E. überbewertet. Eine Anpassung der Fächer, inhaltlich als auch in ihrer Anzahl, halten wir für geboten, ausgenommen davon ist der Spurlaut!
· Züchterische Selektion muss auch bei den Hasenspuren auf die Optimierung von Leistungsmerkmalen für den jagdlichen Gebrauch ausgerichtet sein.
· Die Selektion, die derzeit auf die stetige Leistungssteigerung der Erbanlagen Nase und Spurwille unserer Rasse ausgerichtet ist, ist aus unserer Sicht nicht zielführend.
· Die Zuchtbasis gilt es zu erhöhen.
· Einen wesentlichen Schritt sehen wir darin, auch bereits kürzere Hasenspuren als sehr gute Leistung zu bewerten.
Dieser Artikel ist Bestandteil einer Reihe, mit der wir zur Diskussion anregen möchten. Insbesondere geht es darum, über eine angepasste Prüfungsordnung der Zucht den Zugriff auf eine genetisch breitere Basis zu ermöglichen, gleichzeitig die Stöberkompetenz zu stärken sowie die Einsatzbreite des DW zu erhalten.
Kontaktadresse: po@wachtelhund-hessen.de
Uwe Ickler/Thomas Figge